my virtual community

my virtual community stinkt nicht und erzeugt kein peinliches schweigen. kratzt sich nicht verlegen am hinterkopf, wenn sie mir begegnet. sieht meine röte nicht, wenn sie ins schwarze trifft.

plötzlich hab ich schneebrunzer hunderte von freunden, fein säuberlich in einer liste angeordnet, mit hübschen kleinen bildchen, die die individualität ihrer träger visualisieren. plötzlich hab ich barfußkind des lebens ein zuhause im web 2.0, wo meine opinions geliked und statements gecommented werden. plötzlich kann ich als die auftreten, als die ich mich gerne sehe, und streiche die unliebsamen eigenschaften aus dem profil. stilisiere mich zu einer makellosen fake plastic person hoch, deren verzeihbare laster nur zur untermalung ihrer einzigartigkeit dienen. und die menschen, die ich einmal gekannt habe, verschwimmen mir zu bunten spots und witzigen phrasen, versuchen sich durch sporadische pokes in meinem gedächtnis zu halten, anstatt auf unsere erinnerung zu vertrauen.

ist das die zukunft? gebe ich meine sozialen kompetenzen an eine virtuelle welt ab oder erweitere ich sie damit? verschiebt sich die reale erfahrung der verbundenheit von der face-to-face zur screen-to-screen begegnung?

you have one friend request. doch was bedeutet freundschaft inzwischen für mich? ist es die beständige informiertheit über den alltag der anderen, die mir als fachwissen im gossip zugute kommt? ist es die versicherung der millionen legionen hinter mir?

my virtual community, es tut mir leid. ich habe dir so lange meine fehler und ängste verschwiegen. ich bin oft einsam und suche zuflucht zu dir - doch ich will dich nicht brauchen. abseits deiner special features liege ich im sommerregen und vergrabe mein gesicht in den händen eines geliebten menschen.

©slowberrine

qu'est ce que je veux

Wenn das alles so einfach wäre - sich einer Sache zu verschreiben - wenn es mir in die Wiege gelegt wäre, tanzend könnte ich die Welt mir erobern oder mit der Lupe einer Wissenschaft, und doch gleiten mir die Instrumente bald aus der Hand "für dich sind wir nicht geschaffen", und um neue zu schaffen, verschließt sich die Phantasie. Siehst du, von den Möglichkeiten wähl dir eine aus und wähle gut - oder lass dich wählen - als schöner Griffel sei sie dir Wanderstab und Waffe.

Und was, wenn ich mich verweigere?
Weil ich mein Glück nicht in der Entscheidung finde, sondern in der ewigen Wahlfreiheit?

Mit tausend Griffeln umherziehe, bis sie mir alle entglitten sind, bis ich sie drehe und wende, bis sie mir alle Gesichter zeigen, bis ans Ende der Tage könnte ich umherziehen, und wenn du mich fassen möchtest, bin ich schon entschwunden. Dann bin ich so exponiert verschlossen, dass sich die Gegensätze bis zur Sinnlosigkeit ausschalten. Dann bin ich heute Philanthrop und morgen Menschenfresser, und die Lösung, die Synthese aller Widersprüche, findet statt, denn ich finde statt

als Arbeitstier
als Sozialschmarotzer
als Gutmensch
als Neurotikerin
als Amokläuferin
als Friedensengel
als Touristin
als Steuerzahler
als Angsthase
als Kind.

©slowberrine

im sprechen freiheit

Bis ich mich, an einem Spätnachmittag, wiederfand, unter den Bäumen der Allee auf dem Damm in der Mitte der Seine, und meine Dimensionen zurückgewann. [...] Was sich an diesem Abend auf dem Seinedamm zeigte, war nicht ein Weg, oder ein Wissen, ich hatte keinen Begriff von diesem Dasein gewonnen, hatte keine Absichten, ich spürte nur die Klarheit der Luft, spürte, wie ich dastand und atmete, und daß ich aus der Umnachtung, in die mich der Schock der Freiheit geworfen hatte, herausgeraten war.

Die Freiheit war noch vorhanden, doch ich hatte Boden in ihr gewonnen, sie war keine Leere mehr, in der ich im Alptraum der Anonymität lag und in der alle Bezeichnungen ihren Sinn verloren, es war eine Freiheit, in der ich jedem Ding einen Namen geben konnte. Ich hatte nur den Blickpunkt geändert. [...] Die Freiheit war absolut, ich konnte mich darin verlieren und ich konnte mich darin wiederfinden, ich konnte alles aufgeben, alle Bestrebungen, alle Zusammengehörigkeit, und ich konnte wieder beginnen zu sprechen. [...]

Und wenn es schwer war, an Worte und Bilder heranzukommen, so war es nicht deshalb, weil ich nirgends hingehörte, und keine Verständigungsmöglichkeiten erkennen konnte, sondern nur deshalb, weil manche Worte und Bilder so tief lagen, daß sie erst lange gesucht, abgetastet und miteinander verglichen werden mußten, ehe sie ein Material hergaben, das sich mitteilen ließ. An diesem Abend, im Frühjahr 1947, auf dem Seinedamm in Paris, im Alter von dreißig Jahren, sah ich, daß ich teilhaben konnte an einem Austausch von Gedanken, der ringsum stattfand, an kein Land gebunden.

(Peter Weiss Fluchtpunkt)

i sold my soul to fugacious satisfaction

Ich will den Kapitalismus lieben, ich will und kann es nicht
und das wird so weiter geh'n bis einer von uns zusammenbricht.

(Funny van Dannen)
________

dear capitalism,

could you please fuck my brain.
i've bought that tv-set you told me to buy and now i'm waiting for you to tell me what i want.

- oh yes, you're right, you know me and my feelings. -

how handy that i can buy all the accessories to perfect my identity. you know, i'm fragile, i'm looking for love and security, like those handsome people in the commercials. cheerful mothers, happy children, and a generous father they can rely on. a kiss under a spreading chestnut tree.

it all makes perfectly sense.

really, you think i could be a winner, too? am i worthy enough to be one of those prosperous people you show me all the time? am i brave enough to succeed in that tough competition of yours? oh dear, i could be a winner. imagine. it just needs some effort and ambition!

you know what: i love you for fucking my brain. i actually need you. i'm afraid, if you take out your dick of my head, that only a blank and unsubstantial skull will be left.

©slowberrine

diese nacht

Diese Nacht
ging ich eine dunkle Nebenstraße
um die Ecke
Da legte sich mein Schatten
in meinen Arm
Dieses ermüdete Kleidungsstück
wollte getragen werden
und die Farbe Nichts sprach mich an:
Du bist jenseits!


(Nelly Sachs, Fahrt ins Staublose)

uni brennt buch

"Bücher sind nicht Denkmäler der Vergangenheit, sondern Waffe der Gegenwart."
(Heinrich Laube)

unibrennt_cover1Uni brennt
Grundsätzliches - Kritisches - Atmosphärisches

http://unibrenntbuch.wordpress.com/

»Uni brennt« war im Herbst 2009 der Ruf der Studierenden, aber auch vieler Lehrender, an der Universität Wien. Von hier ausgehend entwickelten sich weitere Protestbewegungen in Österreich, Deutschland und vereinzelt anderen Ländern. Gemeinsam ist ihnen die Kritik an der Bologna-Architektur und der neoliberalen Verwirtschaftlichung der Universität.

Dieser Band, entstanden aus Initiative von protestierenden Studierenden, macht sich auf die Suche nach den Ursachen des Protests, stellt grundsätzliche Fragen zum Bildungsbegriff und zur Bildungspolitik, versammelt kritische Positionen und Forderungen und gibt Stimmungsbilder aus den besetzten Hörsälen wieder. Mit dem Schwerpunkt auf Wien soll das Zentrum der Proteste näher beleuchtet werden. Darüber hinaus sind Beiträge u.a. aus Klagenfurt, Innsbruck und Berlin enthalten.

Zu Wort kommen Studierende und Lehrende (u.a. Paul Kellermann, Konrad Paul Liessmann, Elisabeth Nemeth, Herta Nöbauer, Pier Paolo Pasqualoni, Thomas Schmidinger, Karin Schönpflug, Erich Ribolits), sowie Intellektuelle und Künstler_innen (u.a. Christian Felber, Gustav, Matthias Hartmann, Robert Misik, Bahman Nirumand, Marlene Streeruwitz, Doron Rabinovici, Armin Thurnher).

somos dos.

frida_kahlo_le_due_frida1





Wir sind zwei.
Über unsere Widersprüche hinweg
reichen wir uns die Hand.

Wenn du mich ansiehst,
vergiss nicht,
dass wir zwei sind.

©slowberrine

grow

Kopie-von-zombie



so entschwindet auch die Kindheit, die ja die größte Illusion ist: die Illusion von der Schönheit des Lebens. Man wird langsam ein Mensch, es tut aber weh, sehr weh wie alles übrige Wachsen -.
(Cordelia Edvardson)


Wo soll ich mich verorten, wenn die Fremdzuschreibungen fragwürdig und unpassend geworden sind wie abgetragene Kleidungsstücke? Kann ich meine Identität aus dem eigenen Bausatz schaffen oder suche ich nicht vielmehr nach neuen Schablonen, in deren Ummantelung ich mich wohl und legitimiert fühle?

Das Wachsen mag jedenfalls schmerzhaft sein, ein Verharren in Abhängigkeit und Unmündigkeit hingegen bedeutet den Tod - nicht den selbstgewählten Freitod, sondern die gleichgültige Entsagung dem Leben gegenüber.

Und so taste ich mich vorwärts, blind, denn sehen habe ich nur mit den getrübten Hilfsmitteln diverser Ideologien gelernt und die gleißende Wirklichkeit brennt in den ungeschützten Augen.
Sie fragt:
- Wer bist du, hier und jetzt? Und schieb die Antwort nicht auf morgen hinaus.
- Wenn neben dir jemand am Boden liegt, wirst du weitergehen?
- Oder wirst du deine Hand ausstrecken?
- Auch wenn sie schon gebissen worden ist?
- Und wenn du selbst am Boden liegst, wird dein Herz all jene verfluchen, die weitergehen?

Täglich fahre ich durch die Hölle der steinernen Gesichter, die nichts als Spiegelbilder meiner eigenen Maske sind, und, Freunde, wir könnten im Himmel sein, wenn wir nur sein dürften, wenn ich nur sein dürfte, mit dem Dämon, der sich am Boden windet, als Haustier.

©slowberrine

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