cordelia

Dasselbe geschieht sowieso nicht zweimal, insofern ist alles Geschehen, wie jeder Mensch und sogar jeder Hund, einmalig. Abgekapselte Monaden wären wir, gäbe es nicht den Vergleich und die Unterscheidung, Brücken von Einmaligkeit zu Einmaligkeit.

(Ruth Klüger, weiter leben)
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Wir, die wir schon sehr früh, vielleicht schon im Mutterleib, aus dem Schoß des Lebens fielen.

Wir lernen niemals mit leichtem und doch festem Schritt zu gehen, wie jene, die wissen, daß sie festen Boden unter den Füßen haben. Wir bringen es nie fertig, uns treiben, uns vom Rhythmus des Stroms tragen, uns wiegen zu lassen von Ebbe und Flut. Wir kommen stets aus dem Takt, wie schlechte Tänzer stolpern wir über eigene und fremde Füße. Wir können auch keine Umwege machen, unsere selbstauferlegte Sisyphosarbeit befiehlt uns, jedes Hindernis zu nehmen, jeden Stein auf dem Weg aufzuheben - aber natürlich ekeln wir uns dabei vor Kellerasseln und schaudern vor den Gebeinen der Toten. Doch unserer Aufgabe, Schmutz bei uns und anderen aufzuspüren und über die saubergekratzten Zeichen der Vergangenheit nachzudenken, bleiben wir treu.

Wir finden nie eine dauernde Bleibe. Ist es Morgen, sehnen wir uns nach der barmherzigen Dunkelheit des Abends, und am Abend fürchten wir die schwitzenden Alpträume der Nacht. Mögen wir uns auch mit der Rüstung des Willens - und dem Schild häufig recht ansehnlicher Fähigkeiten - panzern oder uns die bunte Narrenkappe aufsetzen und lustig mit unsren Schellen klingeln, wir wissen dennoch, unsere Siege können andere täuschen, aber nie uns selber. Der Ausgang des Zweikampfes steht fest.

Es muß auch gesagt werden, daß wir nicht ermüden. Hartnäckig klammern wir uns an das Schürzenband des Lebens. Man schleift uns über Dornen, Disteln und scharfe Steine, der Mund wird uns verstopft mit Wüstensand, wir würden ohnehin nicht schreien, wir sind bedeckt von kleinen, infizierten Wunden, aber wir geben nicht auf. Wir sind ja so tapfer. Wir lassen nicht locker, denn wir haben gelernt, wer fällt, fällt weiter, fällt und fällt - in das bodenlose, das namenlose Nichts.

(Cordelia Edvardson Die Welt zusammenfügen)

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